Generationen-Konflikt? Nicht bei VW. Zumindest nicht in der Bulli-Familie. Denn jeder, der schon einen T5 fuhr, ist auch mit dem Nachfolger T6 auf Anhieb vertraut. Das „Geheimnis“ dahinter: Evolution statt Revolution. Im Klartext: Der T6 ist ein intensiv optimierter T5. Ob das aber genügt, um im Kleinbus-Segment wieder den Ton anzugeben, steht auf einem anderen Blatt. Genauer gesagt: online. Auto- Kaufberatung.at hat es ergründet.
Das Einzige, was selbst für passionierte T5-Fahrer im frischen T6 etwas Gewöhnung erfordert, ist die „schöne neue“ Infotainment- Welt – in die man aber ohnehin gesondert investieren muss. „Und das Raufschwingen auf den Fahrersitz gelingt auch nimmer so elegant wie früher“, moniert unser Senior-Tester, der aber im selben Atemzug eingesteht: „Das liegt freilich nicht am neuen Modell, sondern an meiner gekrümmten Wirbelsäule.“
Datenblatt |
Motor |
16V-Vierzyl.-Turbodiesel, 1.968 ccm, Euro 6 |
Leistung |
110 kW/150 PS bei 3.250–3.750/min |
Drehmoment |
340 Nm bei 1.500–3.000/min |
Spitze |
182 km/h |
Testverbrauch |
7,25 l/100 km |
Normverbrauch |
6,1 l/100 km |
CO2 (6G-Getr.) |
159 g/km |
L/B/H |
4.904/1.904/1.990 mm (kurzer Radst.) |
Leergewicht |
2.038 kg |
Gesamtgewicht |
3.080 kg |
Preis |
€ 46.707,- inkl. 14% NoVA und 20% MwSt. (Ausstattung „Comfortline“ mit Sitzvariante 3-3-3) |
Stand: November 2015 |
Die nach wie vor ausgezeichnete Über- und Rundum- Sicht im Bulli erkaufen sich Fahrer und Beifahrer also durch eine kleine Anstrengung beim Einsteigen. „Doch mit ein wenig Übung klappt das Raufziehen am stabilen Haltegriff eh tadellos klappt“, kalmiert der Senior. Wobei die Test-Caravelle in der mittleren Ausstattungs-Stufe Comfortline mit insgesamt sechs Haltegriffen am Dachhimmel bestückt war – zwei vorn und vier weitere im Fond.
Weshalb uns ausgerechnet Haltegriffe so ausgiebig beschäftigen? Weil sie ebenso wie andere (Nicht?)-Optionen für etwas Verwirrung in der Preisliste des VW Caravelle sorgen: Zum Beispiel sind darin Haltegriffe am Dachrahmen zwar für Trendline und für Comfortline serienmäßig ausgewiesen, nicht aber für die Top- Ausstattung Highline, obwohl die ja auch darüber verfügt. Nebenbei erwähnt, ist es ziemlich knauserig, die für den Zustieg kleiner Personen sehr hilfreichen Haltegriffe an den A-Säulen für knapp 50 Euro extra in Rechnung zu stellen. Eine Option, die zudem ausschließlich für Comfort- und Highline geordert werden kann, der Basis-Ausstattung Trendline also vorenthalten wird.
Auch in Sachen Dachträger-System und Fern-Entriegelung der Heckklappe sowie Federungs- und Dämpfungs-Verstärkung hält die Preisliste bei der Zuordnung manche Ungereimtheit parat, die sogar Verkäufer in ausgewählten VW-Betrieben nicht aufzulösen vermochten. Auf zwei versprochene Rückrufe warten wir noch heute.
Caravelle-Ausstattung: Glückwunsch an jene, die hier den Durchblick haben
Schande ist es freilich keine, wenn sich selbst Insider im Dschungel der Optionen nicht auf Anhieb zurechtfinden. Zumal deswegen auch das Test-Exemplar zu hoch ausgepreist war. So hat man bei der „Mehr-Ausstattung“ die Drei-Zonen-Klimaautomatik plus Licht- & Sicht- Paket mit den einzelnen Aufschlägen von 1.261 und 291 Euro brutto berechnet. Dabei gibt es für die Caravelle Comfortline das Komfort-Paket „Climatronic“, wo beide Optionen zum Gesamt-Preis von 1.083 Euro brutto offeriert werden (alles jeweils mit 14% NoVA).
Nicht berücksichtigt wurde außerdem, dass man für eine Caravelle mit sieben statt neun Sitzen knapp 700 Euro brutto spart, weil das Testauto nur mit der 2-2-3-Variante ausgerüstet war. Serie ist die 3-3-3-Variante. Man muss sich also wirklich Zeit nehmen, um Durchblick zu gewinnen.
Uns fehlte dieser vorerst bei der Easy-Entry-Funktion, die den Zustieg zur hintersten Sitzreihe erleichtert. Grund: Im getesteten Siebensitzer war sie nicht vonnöten und daher nicht vorhanden. Doch in der Preisliste scheint sie ebenfalls nirgendwo auf – obwohl sie bei der T6-Präsentation als neue Option angekündigt worden war. Auf Nachfrage hat Porsche Austria schließlich Licht ins Dunkel gebracht: Demnach ist Easy Entry immer dort ohne Aufpreis dabei, wo sich direkt an der Schiebetür ein Sitz befindet. Erfreulich, aber eben nicht in der Preisliste vermerkt.
Anders hat sich der VW-Importeur bei elektrischen Schiebetüren entschieden, die in der Highline-Ausstattung (diese verfügt serienmäßig über zwei Schiebetüren statt nur über eine) ursprünglich ohne Aufpreis an Bord sein sollten. In Deutschland ist das auch der Fall, in Österreich hingegen nicht. Was aber kein wirklicher Nachteil ist, weil sich E-Schiebetüren bei Gefälle und Steigungen mitunter störrisch zeigen können. Als umso angenehmer hat sich die optionale Zuzieh-Hilfe erwiesen, mit der das Comfortline-Testauto extra ausgestattet war. Sinnvoll investierte 170 Euro.
Eine (moderate) Preissteigerung hat es beim T6 übrigens auch schon gegeben. Dadurch hat sich der Listenpreis des Test-Exemplars vor wenigen Tagen um genau 100 Euro erhöht – von 46.607 auf 46.707 Euro. Ansonsten hat sich in der November-Preisliste gegenüber jener vom September wenig geändert. Lediglich ein Alu-Rad namens „Disc“ steht in Silber und Weiß zusätzlich bei den 17-Zöllern zur Wahl.
Schluss mit dem Thema Preise. Jetzt geht’s ans Eingemachte!
Beim Handling macht dem „neuen alten“ T-Modell kein Mitbewerber was vor!
„Mag sein, dass der Bulli gegenüber so manchem Konkurrenten ein bisserl an Terrain verloren hat“, sinniert unser Senior auf den ersten Test-Kilometern. „Aber zum Fahren ist er mir noch immer der Liebste.“ Stimmt: Die hohe Sitzposition nimmt man schon nach der ersten Kurve gar nicht mehr wahr. So kinderleicht und – verhältnismäßig – agil wie der VW-Fronttriebler lässt sich kein anderer Kleinbus chauffieren. „Oder anders gesagt“, meint der Senior-Tester: „Für Bus-Neulinge ist er geradezu das ideale Anfänger-Auto. Das war seinerzeit schon so beim T1 und zieht sich bis heute wie ein roter Faden durch die Modell-Generationen. Ganz egal, wo sich der Motor befunden hat oder welche Räder angetrieben wurden.“ Kleine Einschränkung: „Selbst beim letzten Hecktriebler, dem T3, war es abenteuerlich, mit einem leeren Transporter bei Seitenwind die Spur zu halten…“
Apropos Angriffsfläche. Die bietet freilich auch der neue Bulli – jedoch vorwiegend dem Mitbewerb. Der dürfte ihm nämlich seine immer noch beispielhafte Raum-Ökonomie neiden, die sich das T6-Modell durch einen simplen Umstand erkauft: der praktisch unveränderten Bauweise gegenüber dem Vorgänger T5. Denn erst der völlig neu konstruierte T7 wird auch eine neue Homologation und damit eine gestrecktere Frontpartie erfordern, um die jüngsten Kriterien für den Fußgänger-Schutz zu erfüllen. Und so kommt’s, dass selbst die „kurze“ Caravelle den Insassen nach wie vor viel Beinfreiheit offeriert – trotz ihrer moderaten Karosserie-Länge von 4,9 Metern. Ein fetter Pluspunkt im städtischen Einsatz.
Dass der Bulli die nächsten Jahre konkurrenzfähig bleibt, bedurfte freilich auch zahlreicher Optimierungen, die vor allem die eingangs erwähnten Infotainment-, aber auch neue Assistenz-Systeme sowie einen noch höheren Sitzkomfort als bisher und – last but not least – effizientere Triebwerke betreffen. Der Zweiliter-TDI des Test-Exemplars hat mit einem Diesel-Verbrauch von 7,25 l/100 km jedenfalls voll und ganz überzeugt, zumal dieser Wert nach einer Stadt-/Überland-Strecke ermittelt wurde, von der etwa zwei Drittel mit sechsköpfiger Besatzung zurückgelegt wurden. Überfordert war der 150-PS-Diesel damit nie. Im Gegenteil: Auf der Autobahn verhalf er der Caravelle zu einem flotten Durchschnitts-Tempo, die auch beim Erklimmen von Serpentinen kein Verkehrs-Hindernis war – solange kein Walter-Röhrl-Verschnitt hinter ihr auftauchte.
Als weitgehend ausgewogen hat sich die Federung erwiesen, die auch auf mittelmäßigen Straßen keinen unangenehmen Eindruck hinterließ. Legt man auf Komfort besonderen Wert, kann man ja neuerdings auf die Option der adaptiven Fahrwerks-Regelung DCC zugreifen, für die man jedoch mindestens 1.518 Euro brutto locker machen muss. Andererseits wird man bei einer Probefahrt feststellen, dass sich die Caravelle auch mit der günstigeren Schaltung statt der DSG-Automatik kommod steuern lässt: Das exakte Sechsgang-Getriebe hat den Fahrspaß auf jeden Fall nicht getrübt. Das gilt übrigens auch für das ebenso sanfte wie eifrige Start-Stopp-System.
Einer abschließenden Erkenntnis sollte man sich als Caravelle-Interessent aber bewusst sein: Die Kombination Volkswagen plus Basis-Ausstattung empfiehlt sich beim Bulli noch weniger als im Pkw-Segment. Als Trendline muss sich die Caravelle serienmäßig mit H4- statt H7-Licht begnügen, ebenso wie mit Kopfstützen ohne Neigungs-Verstellung, die man nicht jeder Fahrer-Sitzposition anpassen kann. Und auch sonst (siehe Bild 9 in der Foto-Galerie) haben die VW-Rotstiftler beim Trendline am falschen Platz gespart. Ergo gleich Comfortline wählen. Die mittlere Ausstattungs-Stufe ist auch die goldene Mitte.
NACHTRAG: Am 17. November wurde der Bulli neuerlich zum International Van of the Year gekürt, konkret der Transporter T6 Euro 6. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der Fiat Doblò und der VW Caddy IV Euro 6. Damit hat VWs T-Reihe die begehrte Auszeichnung bereits zum dritten Mal erhalten: 1992 wurde sie dem T4 verliehen, 2005 dem T5.
Website des Importeurs: www.vw-nutzfahrzeuge.at