Mit einem Jaguar Understatement zu betreiben, ist praktisch unmöglich. Selbst das XF-Einstiegsmodell mit „braven“ 190 PS verdreht Passanten die Köpfe. Schließlich sieht man es dem noblen Briten von außen nicht an (im Gegensatz zum unseligen X-Type), dass er lediglich von einem Vierzylinder-Diesel angetrieben wird. Und auch beim Fahrgefühl muss man wegen des kleinsten Selbstzünders im Programm keine Abstriche machen.
Das Wichtigste vorweg: Beim Modell-Jahrgang 2013 des Jaguar XF 2.2 Diesel steigt die Motor-Leistung von 190 auf 200 PS. Nicht verändert haben sich maximales Drehmoment und Fahrleistungen. Der Norm-Mix sinkt von 5,4 auf 5,1 l/100 km (CO2-Wert: 135 g/km) bei Fahrzeugen mit 17-Zoll-Rädern resp. auf 5,2 l/100 km (CO2-Wert: 139 g/km) bei Fahrzeugen mit mindestens 18 Zoll großen Rädern. Der Kaufpreis für den XF mit dem Einstiegs-Diesel erhöht sich nach einem Jahr um 1.100 Euro: von 47.900 auf 49.000 Euro. Die Angaben im DATENBLATT zum folgenden Fahrbericht beziehen sich natürlich noch auf das Test-Fahrzeug mit 190 PS.
Datenblatt | |
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Motor | 16V-R4-Turbodiesel, 2.179 ccm, Partikelfilter, Euro 5 |
Leistung | 140 kW/190 PS bei 3.500/min |
Spitze | 225 km/h |
Testverbrauch | 7,1 l/100 km |
Normverbrauch | 5,4 l/100 km |
CO2 | 149 g/km |
L/B/H | 4.961/1.877/1.460 mm |
Leergewicht | 1.810 kg |
Gesamtgewicht | 2.320 kg |
Preis | EUR 47.900,- inkl. 7% NoVA und 20% MwSt. (neu: EUR 49.000,- / 200 PS) |
Stand: September 2012 |
Schönheit muss leiden. Aber nur ein bisserl. Die schwungvolle Dachlinie verleiht dem fast fünf Meter langen Jaguar XF jene Eleganz, die man bei anderen Limousinen vermisst. Dafür vermisst man im Jaguar-Fond ein paar Millimeter Kopffreiheit. Jedenfalls als Sitzriese. Doch Großgewachsene sollten sich ohnehin einen der beiden vorderen Sitzplätze gönnen. Deren Passform ist hervorragend. Man fühlt sich wie in Abrahams Schoß.
Fünf Insassen finden in der „geduckten Raubkatze“ also adäquate Platzverhältnisse vor. Und auch das Fassungsvermögen des Kofferraums ist mit immerhin 500 Litern absolut brauchbar geraten. Etwas weniger zerklüftet, könnte man ihn allerdings noch besser nutzen. Sie wissen schon: ein bisserl halt.
Was der Jaguar XF dagegen optimal zu nutzen vermag, ist der Asphalt unter ihm. Das mit optionalen 19-Zoll-Rädern ausgerüstete Testexemplar (Serie: 17 Zoll) begeisterte durch seine beispielhafte Fahrsicherheit, die auf gewissen Autobahn-Teilstücken Kurven-Geschwindigkeiten jenseits von Gut und Böse ermöglicht. Auch dank der direkten Lenkung, die vielleicht ein bisserl mehr (da ist es wieder!) Straßenkontakt vermitteln könnte. Behäbiger verhält sich die lang gestreckte Reise-Limousine naturgemäß auf Serpentinen, wo auch der konstruktive Vorteil des Hinterrad-Antriebs nicht zu mehr Agilität verhilft.
Ein etwas zwiespältiges Bild lieferten die Bremsen im Testwagen: Zwar verzögerten sie selbst aus hohem Tempo absolut und jederzeit standfest, aber auch jedes Mal von nervendem Rubbeln begleitet. Auto-Kaufberatung.at konfrontierte damit Jaguar Austria-Pressechef Dieter Platzer, der dazu Stellung genommen hat:
„Es tut mir leid, dass bei Ihrem Testwagen die Bremsen gerubbelt haben. Das Fahrzeug wurde anfangs für eine Verkäufer-Schulung eingesetzt und wie üblich wurden die Vorgaben nicht eingehalten – nämlich nach ein paar harten Runden auf einem Handlingkurs eine Auslaufrunde zu fahren, statt das Fahrzeug einfach mit heißen Bremsen abzustellen. Das macht man nicht mal mit Motorsport-Fahrzeugen, denn auch dort führt der Hitzestau bei den Bremsbacken oft zu einem Verziehen der Bremsscheiben. Leider kann ich nicht persönlich jedes Fahrzeug vor jedem Einsatz testfahren. So ist uns dieser Makel durchgerutscht.“
Ausnahmslos in Hochform zeigt sich die serienmäßige, drehzahlschonend übersetzte Achtgang-Automatik, die durch butterweiche Schaltmanöver gefällt. Übrigens auch dann, wenn man über die Schaltwippen am Volant manuell eingreift, um die Fahrstufen stärker auszureizen. Notwendig ist dies freilich nicht, weil der kultivierte Vierzylinder-Diesel immer genügend Punch zur Verfügung stellt. Bei 2.000 Touren treibt er das herrschaftliche Gefährt mit standesgemäßen 450 Newtonmetern voran.
Im Endeffekt setzt sich Jaguars einziger Motor, der sich mit vier Töpfen begnügt, gleich doppelt in Szene. Zum einen hält er mit seinen 190 Pferden das schwergewichtige Katzerl leichtfüßig auf Trab, zum anderen dessen Durst durchaus im Zaum: Im Testschnitt wurden 7,1 Liter auf 100 km ermittelt. Wozu auch das Start-Stopp-System einen kleinen Anteil beitrug, mit dem Jaguar – bisher – ausschließlich den kleinsten Selbstzünder ausgerüstet hat. Mehr dazu in der Foto-Galerie.
Fazit: Der preisgünstigste Jaguar ist nicht bloß eine „Hauptsache-anders“-Alternative, sondern ein empfehlenswertes Angebot im Kreis der renommierten Diesel-Oberklasse. Nur an eines kann man sich beim noblen Briten irgendwie schwerer gewöhnen als beim Mitbewerb: an den hellen Diesel-Klang, der aus der eleganten Karosse ertönt. Lässt man dem Jaguar allerdings freien Lauf, verändert sich die Tonlage deutlich zu ihrem Vorteil.
Umgekehrt ist es bei der Liste der Sonder-Ausstattungen für den serienmäßig schon ansehnlich ausstaffierten XF 2.2 Diesel: Lässt man dem Kugelschreiber beim Ankreuzen der Optionen freien Lauf, verändert sich der Grundpreis deutlich zu seinem Nachteil. Aber darüber können Audi-, BMW- und Mercedes-Kunden ohnehin nur müde lächeln.
SENIOREN SPECIAL (Erklärung siehe Rubrik „Über uns“)
56 Jahre automobile Er-Fahrung haben unseren Senior-Tester geprägt: „Von einem Jaguar hab’ ich ganz konkrete Vorstellungen. Der erste, den ich fahren durfte, war ein XK 150. Von dem träum’ ich noch heute! Der hatte schon damals rundum Scheibenbremsen, die gar keine Chance zum Rubbeln hatten, so stark, wie ich die beansprucht habe. Ein prachtvoller, unvergleichbarer Sportwagen… Aber gut. Ich muss mich jetzt wohl selber einbremsen.“
Wir bitten darum. Zumal der Senior auch bei einem Urenkel des XK 150 nicht mit Superlativen geizt: „Sehr angenehm war ich von den Langstrecken-Qualitäten des XF überrascht. Weniger vom Federungskomfort, der in Anbetracht der sportlichen Bereifung durchaus okay geht, sondern vielmehr vom guten Sitzkomfort, vom leisen, kräftigen Diesel sowie von der adaptiv perfekt arbeitenden ZF-Automatik. Und ganz besonders von der hohen Fahrstabilität. Eine Limousine, deren Pneus so auf der Straße kleben, habe ich selten erlebt. Wobei ich mich nicht entsinnen kann, wann ich zuletzt in einem Auto saß, in dem man so wenig die Geschwindigkeit spürt wie in diesem Jaguar. Nicht ganz ungefährlich, zumal der Tacho für mein Dafürhalten nicht ideal im Blickfeld liegt. So ein Head-up-Display wäre deshalb eine feine Sache. Gibt’s aber leider nicht unter den Optionen. Dafür vieles, was das Interieur noch edler macht. Dabei ist das Cockpit sowieso schon hübscher als bei den meisten Konkurrenten.“
Apropos Cockpit: „Die Bedienung hat mich nur teilweise überzeugt. Vielleicht ist es ja altersbedingt, aber manche Funktionen erst über Tasten auf der Mittelkonsole und dann über den Touchscreen-Monitor zu aktivieren, leuchtet mir nicht ein. Ein Cockpit ist in meinen Augen kein Spielplatz für solche Experimente. Und nebenbei bemerkt: Der linke Lenkstock-Hebel für Licht und Blinker ist zumindest für meine Hand etwas zu entrückt platziert. Mit dem Drehregler fürs Automatik-Getriebe bin ich problemlos klargekommen.“
Und die Qualitätsanmutung? „Die Verarbeitung befindet sich auf einem hohen Level. Nicht ganz, aber annähernd auf jenem der deutschen Premium-Hersteller. Was man auch von den zumeist feinen Materialien behaupten kann. Insgesamt wirkt alles sehr solide. Umso mehr hat mich gewundert, dass man sich um das so genannte Sound-Design anscheinend weniger gekümmert hat. Damit meine ich nicht den Diesel-Klang, den Ihr meiner Ansicht nach zu Unrecht beklagt, sondern den etwas hohlen statt dumpfen Klang beim Schließen der Türen und des Kofferraum-Deckels. Da könnten die Engländer bzw. die indischen Jaguar-Eigentümer noch von den Koreanern oder auch Japanern lernen.“
Wir jedenfalls haben schon dazugelernt: dass sensible Gehörgänge nämlich keine Frage des Alters sein müssen.
Und wenn Sie „dazulernen“ wollen: In der Foto-Galerie finden sich auch die jüngsten Jaguar-Infos über die neuen Allrad-Modelle und das neue V6-Kompressor-Triebwerk.
Website des Importeurs: www.jaguar.at