Mobilitätswandel: Wer ist hier richtig geladen?

Mitte September machte Elektroauto-Importeur Denzel mobil. Man präsentierte die jüngste Studie zum Thema „Marktpotenziale für E-Mobilität“. Kern der Botschaft: Obwohl kein Weg an einer Veränderung der automobilen Gesellschaft vorbeiführt, nimmt bei den heimischen Konsumenten die Kaufbereitschaft für Elektro-Autos permanent ab. Ein Trend, der auf mangelnde Information zurückgeführt wird.

Alfred Stadler Österreichs Proponenten für emissionsfreie Automobile verstehen die Welt nicht mehr. Diesen Eindruck vermittelte jedenfalls manches Vier-Augen-Gespräch im Rahmen der „ProlyticLounge 2011“, die im Wiener Kundencenter von Denzel Green Drive kürzlich veranstaltet wurde. „Nicht nur mein Elektro-Auto, auch ich bin richtig geladen“, meinte einer der honorigen Gäste gegenüber Auto-Kaufberatung.at. Grund: die mittlerweile zweite Studie von Marktanalyst Prolytic und Karmasin Motivforschung über die Präferenzen der Österreicher zum Elektro-Auto.

Die darin erhobenen Daten stimmen aus der Sicht ambitionierter Elektromobilitäts-Befürworter nämlich alles andere als zufrieden: Zwar sei die Einstellung der heimischen Konsumenten zum Elektro-Auto nach wie vor positiv, heißt es. Doch: Waren es 2010 noch 50 Prozent aller Befragten, die sich vorstellen konnten, in den nächsten drei bis fünf Jahren ein Elektro-Auto anzuschaffen, erklärten heuer nur noch 39 Prozent, mit diesem Gedanken zu spielen.

Ähnlich entwickelt haben sich der Studie zufolge die Anschaffungskosten für ein neues Elektro-Mobil, wie sie Herrn und Frau Österreicher vorschweben: Im Vorjahr zeigte man sich bereit, einen Preis von 17.500 Euro zu akzeptieren. Und obwohl schon dieser Betrag realitätsfern ist (jedenfalls vorerst, siehe Bild Nr. 9 in der Foto-Galerie), wurde er dieses Jahr wegen der Inflation, so die Begründung der Marktforscher, auf 16.000 Euro gedrückt.

Zwischenzeitlich, weiß Prolytic-Geschäftsführer Erich Dürnbeck aufgrund offenkundig neuester Erkenntnisse, sei die Kaufbereitschaft sogar auf 36 Prozent geschmolzen. Und auch beim Anschaffungspreis hat sich die Schere zwischen Wunsch und Wirklichkeit noch weiter geöffnet.

„Wir müssen uns daher im Klaren sein“, wettert Dürnbeck, „dass ohne massive Förderungen durch die Politik niemals jene 250.000 Elektro-Autos im Jahr 2020 auf unseren Straßen fahren werden, von denen Minister Berlakovich gesprochen hat.“ Der Prolytic-Chef kennt eben seine Studie, wonach sich mehr als 87 Prozent der Befragten durch Förderungen in ihrer Kaufentscheidung positiv beeinflussen lassen würden.

Davon abgesehen sind österreichische Politiker natürlich berüchtigt für ihre optimistischen Ankündigungen. Die Bundesregierung in Deutschland, wo das Verkehrsaufkommen gut zehnmal so hoch ist wie bei uns, geht davon aus, dass 2020 rund eine Million Elektro-Autos ihre Straßen bevölkern – also lediglich viermal so viel.

Doch das eigentliche Übel, weshalb Elektro-Autos so stiefmütterlich behandelt werden, sehen heimische Experten in der mangelhaften Aufklärung begründet. Und hier ist anscheinend nicht nur die Industrie gefordert. Marktforscherin Sophie Karmasin: „Die Bevölkerung ist über die tatsächlichen Vorteile von Elektro-Autos viel zu wenig informiert. Man sollte sogar schon in den Volksschulen bei den Kindern entsprechende Bewusstseinsbildung betreiben.“

Kein Wunder also, so wiederum Dürnbeck, „dass Österreichs private Elektroauto-Kunden derzeit an drei Händen abzuzählen sind“. Schließlich müsse man bedenken, ergänzt der eingangs erwähnte „geladene“ Veranstaltungsteilnehmer (der namentlich nicht erwähnt werden möchte), „dass die vor allem mit dem i-MiEV erzielten Verkaufserfolge von Denzel vornehmlich im Gewerbe und bei Institutionen zu suchen sind“.

Bei diesem Stichwort erlauben wir uns, kurz zu anderen E-Autos abzuschweifen – nämlich E wie Erdgas. Wien Energie verkündete vor wenigen Tagen, dass Unternehmen „genauer rechnen“ und daher die Vorteile des Treibstoffs Erdgas stärker als Privatpersonen nutzen – womit man klarerweise versucht, den (leider) flauen Absatz von Erdgas-Autos zu forcieren.

„Die Anschaffungspreise von Elektro-Autos werden dramatisch sinken“

Bei Elektro-Autos liegt eine Kostenamortisation in Anbetracht der aktuellen Listenpreise freilich noch in weiter Ferne. Doch Friedrich Vogel, Gründer und CEO der Firma Everynear in Baden, ist davon überzeugt, „dass die Preise von Elektro-Autos dramatisch runtergehen werden“. Konkret: „Durch höhere Produktionszahlen wird in drei bis vier Jahren der Mehrpreis gegenüber vergleichbaren Modellen mit Verbrennungsmotor nur noch 30 bis 40 Prozent darüber liegen.“

Zukunftsfragen, die Ladestation-Profi Vogel intensiver beschäftigen, lauten aber vielmehr: „Wie steuern wir ein Gesamtsystem in der Energie, wenn beispielsweise abends alle Elektro-Autos aufgeladen werden?“ Eine abgehobene Vision?

„Natürlich“, so wieder Mister Anonym, „werden solche Gedanken bei der jetzigen Infrastruktur von vielen als lächerlich abgetan. Es bringt aber nichts, wenn sich Kapazunder wie der Professor Indra in Medien wie dem ,Profil’ darüber ereifern, wie denn Millionen Elektro-Autos täglich mit Strom betankt werden sollen. Was soll das? Warum nicht gleich Milliarden? Ebenso werden immer wieder Nachteile ins Treffen geführt, die gar keine sind – wie etwa die so furchtbar geringe Reichweite. Für die meisten Autofahrer, sofern’s keine Außendienstler oder Pendler sind, reichen 50 Kilometer täglich doch vollkommen aus. Und die Betriebskosten sind sowieso nur ein Schmarrn.“

Zurück zur Studie, bei der auch das Thema Batterie angesprochen wurde. Demnach finden die Befragten ein Mietkonzept für die Batterie (schöne Grüße an Renault) durchaus interessant. Für ein positives Feedback sorgte außerdem die Idee eines kombinierten Pakets, wonach Elektroauto-Eigner mit Vergünstigungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln rechnen können.

Klingt plausibel, nachdem sich zum Beispiel das Mobilitätsverhalten der Wiener Bevölkerung „gravierend“ verändert habe, wie Nicht-mehr-Wiener-Linien-Chef Michael Lichtenegger erklärt (kolportiert wird in den Stadtwerken, dass Lichtenegger in der neuen Gesellschaft für E-Mobilität eine Aufgabe zugewiesen wird): 2010 waren bereits 36 Prozent aller Wienerinnen und Wiener regelmäßig mit Öffis unterwegs.

Zum Vergleich: 1993 waren es „nur“ 29 Prozent. Vielleicht kein gravierender Unterschied, aber immerhin. Diesen Trend und den Umstand, dass vor allem jugendliche Führerschein-Inhaber immer öfter aufs Auto verzichten, kann man als Indikatoren werten, dass zumindest für den urbanen Autoverkehr neue Zeiten anbrechen.

Neue Zeiten sind jedenfalls fürs Straßenbild zu erwarten, sollte es in absehbarer Zeit durch – deutlich mehr – Ladestationen bereichert werden. Wenngleich Österreichs Elektroauto-Besitzer in spe erwartungsgemäß das Eigenheim als wichtigsten Lade-Ort bewerten. Erst danach, so die Studie, folgen spezielle Schnelllade-Tankstellen, Lademöglichkeiten beim Dienstort und schließlich am Straßenrand.

Strom von der Ladesäule: Herkunft klar oder sauber verladen?

Freilich: „Die Standardisierung der Ladegeräte ist noch ein hehres Ziel“, bestätigt Friedrich Vogel auf Nachfrage von Auto-Kaufberatung.at. „Nur der Stecker ist kein Problem“, meint er lächelnd, indem er stolz die simple Bedienung an seinem Everynear-Produkt vorführt: „Unsere Ladestellen benötigen weder einen Bildschirm noch eine Tastatur – nichts, was kaputtgehen könnte.“ Dafür werden vier Varianten zum Stromzapfen geboten: mittels SMS, mittels Ladekarte, mittels Chips oder mittels NFC-Handys.

Fragt sich nur, welche Garantie der Konsument hat, dass er auch sauberen Strom bezieht? Von wegen globale statt lediglich lokale Emissionsfreiheit. Auto-Kaufberatung.at kontaktierte daher Oekostrom-Vorstand Horst Ebner, der zur Strom-Kennzeichnung von Ladesäulen schriftlich Stellung bezog:

„Im §78 des ElWOG (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz) ist geregelt, dass alle Stromhändler und sonstige Lieferanten verpflichtet sind, auf allen Stromrechnungen die Herkunft des Stroms anzugeben. Weiters ist auch auf relevantem Informationsmaterial diese Info anzuführen. Daraus kann man ableiten, dass bei einer Rechnungsausstellung für das Auftanken eines E-Autos die Strom-Kennzeichnung verpflichtend angegeben werden muss. Falls es Werbematerial zur Ladestation gibt, das an den Endverbraucher gerichtet ist, müsste es auch dort Informationen zur Strom-Kennzeichnung geben.

Ein Sonderfall besteht aus meiner Sicht bei der Förderung von E-Mobilitätsprojekten durch den KLIEN (Klima und Energiefonds des Bundes). Hier wird die Versorgung mit 100% erneuerbaren Energiequellen als Grundlage für die Förderung von E-Mobilität vorausgesetzt.“

Ob alle Betreiber von Ladestationen, die bundesweit laufend neu installiert werden, diese Kennzeichnung vornehmen, dürfte noch – im wahrsten Wortsinn – für Spannung sorgen.

Ein wenig angespannt dürfte man beim heimischen Elektroauto-Pionier Denzel zur Kenntnis genommen haben, dass die in der Studie Befragten vor allem Herstellern wie Toyota und Volkswagen die große Kompetenz bei Elektro-Autos zutrauen. Erst danach folgen, schon deutlich abgeschlagen, Mercedes, Ferrari (!!!), BMW, Audi, Renault, Hyundai, Opel, Mazda, Volvo, Fiat, Nissan und schließlich die „i-MiEV-Drillinge“ Citroën, Peugeot und Mitsubishi.

Das mag man bewerten, wie man will. Wobei Erklärungsversuche für die beiden dominierenden Marken in den Konsumentenköpfen so schwierig nicht sind: Die Marke Toyota gilt dank ihrer frühen Präsenz mit Hybrid-Modellen als Synonym für Umwelt schonende Automobile. Und von Volkswagen erwartet man sich, was bisher fast immer eingetreten ist: spät, aber umso tiefer in einen neuen Markt einzudringen.

Dazu gibt’s den angenehmen Begleiteffekt, dass sich – sobald etabliert – mit Elektro-Modellen der CO2-Flottenschnitt erheblich leichter reduzieren lässt als mit jedem anderen Fahrzeug. Selbst wenn sich unter dessen Haube ein grenzgenial effizienter Verbrennungsmotor befindet.

Zum Nachlesen: die wichtigsten Erkenntnisse der Prolytic/Karmasin-Studie.

Website des Importeurs: www.mitsubishi-motors.at

Stand: September 2011

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