Ein 400-PS-Bolide aus der Zuffenhausener Sportwagen-Schmiede. Natürlich nicht irgendeiner, sondern der Klassiker: der 911, der im Vorjahr bekanntlich seinen 50er hatte. Und trotzdem noch ein Jungspund ist. Vor allem für jene drei Tester, die sich aus der Sicht schon etwas gereifter „Herrenfahrer“ ihr ganz eigenes Urteil gebildet haben. Eine ungewohnte Porsche-Lektüre. Ohne Quersteher, aber mit Querdenkern.
„Ja, ja, früher hat der Boxermotor noch nach Luft geröchelt, jetzt kocht er auch nur mit Wasser.“ „Damit kocht er nicht, damit kühlt er!“ „Du musst es ja wissen, du hast ihn ja noch, den seltsamen.“ „Welchen seltsamen?“ „Na den mit den Spiegeleiern im G’sicht. Das war doch der erste Neunelfer mit Wasser-Kühlung, oder?“ „Du spinnst! Was ist an dem seltsam?“ „Ach, ist er nicht? Den wollten’s doch schon bei seiner Präsentation in die Babyklappe reinschieben. Und heute will ihn frisch keiner haben.“ „Aber geschenkt würdest ihn nehmen, du Lauser?“ „Geschenkt nehm’ ich alles!“
Datenblatt | |
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Motor | 24V-B6-Turbobenziner, 3.800 ccm, Euro 5 |
Leistung | 294 kW/400 PS bei 7.400/min |
Drehmoment | 440 Nm bei 5.600/min |
Spitze | 297 km/h (7G-PDK) |
Testverbrauch | 10,6 l ROZ 98/100 km |
Normverbrauch | 9,1 l ROZ 98/100 km |
CO2 | 215 g/km (PTM-Allrad) |
L/B/H | 4.491/1.852/1.296 mm |
Leergewicht | 1.540 kg |
Gesamtgewicht | 1.895 kg |
Preis | € 142.716,- inkl. 25% NoVA und 20% MwSt. |
Stand: März 2014 |
Nur einer von vielen Diskursen, den sich zwei Oldies zum Thema 911 lieferten. Der „Lauser“ zählt übrigens 82 Lenze und heißt Hans. Sein Widerpart, unser Senior-Tester namens Peter, befindet sich seit Kurzem im 77. Lebensjahr. Und auch der Autor dieser Zeilen ist vom 60er nicht mehr so weit entfernt, wie er’s gern hätte. Einige Tage lang nahm diese betagte, aber durchaus Porsche-affine Herrenpartie im vorigen Jahr einen Carrera 4S mit Doppelkupplungs-Getriebe (7G-PDK) unter die Lupe. Der 4S verfügt über Allrad-Antrieb und leistet 400 PS, bildet also mehr oder weniger die goldene Mitte im aktuellen 911er Programm.
Das einschneidendste Erlebnis mit dem 4S war für Peter jene Autobahn-Fahrt, während der es wie aus Kübeln gegossen hat: „Da sind unangenehme Erinnerungen wachgerufen worden. Im November 1976 war ich bei ähnlichen Wetter-Verhältnissen mit einem 210 PS starkem G-Modell unterwegs. Das war kurz nach dem Formel-1-GP in Japan, dem letzten Rennen dieser Saison. Und ich weiß noch wie heute, wie ich damals innerhalb weniger Minuten meine Meinung über den Niki Lauda revidiert habe.“
Und warum? „Na, warum wohl? Die 76er Saison kennt ja inzwischen jedes Kind. Ich hatte dem Herrn Lauda nicht verziehen, dass er wegen Regens aufgegeben und den WM-Titel dem James Hunt überlassen hat. Das war natürlich idiotisch von mir. Erst recht nach dem schweren Nürburgring-Unfall, den Lauda nur knapp überlebt hat. Aber als ich beim letzten Rennen um den WM-Titel mitgefiebert hatte, hab’ ich solche Gedanken verdrängt. Bis zu jenem Zeitpunkt, als ich damals selber bei starkem Regen diese Heckschleuder von 911er gesteuert habe. Es war verheerend, das Ding hat sich wie auf Seifenlauge bewegt. Und plötzlich hab’ ich Laudas Entscheidung mit ganz anderen Augen gesehen.“
Der Carrera 4S bei Nässe: „Wie Moses beim Durchqueren des Roten Meeres“
Doch dann der Zeitsprung, 37 Jahre später: „Das pure Gegenteil, das Fahrwerk ist schlichtweg ein Hammer! Man könnte meinen, den Allrad-911er haben sie weniger zum Kurvenräubern als vielmehr zum Waten gebaut. Ich bin mir vorgekommen wie Moses beim Durchqueren des Roten Meeres. Und das mit Pirelli-Hinterreifen in 305er Dimension. Jedenfalls habe ich mich noch in keinem Auto bei pitschnasser Fahrbahn so gut aufgehoben gefühlt wie im Carrera 4S. Man zieht am restlichen Verkehr vorbei, als ob er stehen würde. Allein die Sicht-Verhältnisse haben mich etwas eingebremst, weil selbst die schnellste Wischerstufe beim 911er den Wassermassen auf der Scheibe nicht gewachsen war.“
Apropos Bremsen: „Die vermitteln beim Carrera S fast schon trügerische Sicherheit und erziehen auch zur schlechten Angewohnheit, zum Vordermann keinen adäquaten Abstand einzuhalten“, meint dazu der Älteste im Trio. So kann man eine exzellente Verzögerung natürlich auch umschreiben (und das Negieren des Abstands-Reglers). Da Hans in den letzten Jahren aber vor allem noble Sportgeräte britischer Provenienz pilotierte, drängt sich die Frage auf: Vermitteln diese kein vergleichbares Sicherheits-Gefühl? „Nicht so ganz. Manche sind mit Vorsicht zu…“
„Bei welcher Nachkriegs-Tombola hast du deinen Schein noch mal gewonnen?“ Peter fällt sichtlich ungehalten ins Wort: „Ich hab’ gedacht, du bist der große Routinier. Und jetzt macht dir ,trügerische Sicherheit’ zu schaffen? Hans: „Junger Mann, im Gegensatz zu dir hab ich zwei Millionen Kilometer unfallfrei…“ Peter: „Ja, schon gut! Obwohl ich eingestehen muss, dass ich sogar nach dem Umstieg von einer sehr leistungsstarken Limousine auf den 911er mit Staunen registrierte, was ich eigentlich eh erwartet habe.“ Und das wäre? „Zum Beispiel, dass gewisse Autobahn-Abfahrten, deren Kurven-Radius gern unterschätzt wird, ihren Schrecken verlieren. Bloß: Übertreiben kann man’s natürlich immer. Deshalb gehören solche Gefährte nicht in die Hände von Leuten mit geringer Fahrpraxis.“
Soweit das Wort zum Sonntag. „Allerdings“, wendet Hans ein, „zeichnet doch gerade den Porsche seine Alltags-Tauglichkeit aus. Jeder Anfänger kann mit dem 911er unauffällig im Verkehr mitschwimmen, weil er sich nicht wie ein ungezähmter Bolide gebärdet. Man muss ganz bewusst aufs Gas latschen, damit er lossprintet wie von der Tarantel gestochen. Und selbst dann ist er deutlich einfacher zu beherrschen als seine Wettbewerber. Zumindest jene, die ich zuletzt auskosten durfte. Und das waren einige.“
„Stimmt“, pflichtet Peter bei. „Was, du gibst mir Recht?“ „Ich bin so frei! Mich hat vor allem die ausgewogene Lenkung begeistert und wie perfekt der aktuelle 911er ausbalanciert ist (Stichwort: Wankausgleich, Anm. d. Red.). Das kommt in lang gezogenen Kurven klarerweise weniger zur Geltung, aber dafür auf Serpentinen. Da genießt man das spontane Einlenk- und stabile Fahrverhalten, weil auch kein Radl dabei durchdreht. Und das sogar ohne den optionalen Sport Plus-Modus, in dem das Auto noch schärfer reagiert. Den brauch’ ich nicht unbedingt. Oder meinetwegen nicht mehr. Für mich war das ein wunderbares Fahr-Erlebnis: Grenzen nach meinem Fahrkönnen auszuloten, ohne gleich feuchte Hände zu kriegen. An einen 911er von heute muss man sich nicht gewöhnen, der gewöhnt sich an dich.“
„Ja, ja, du brauchst mich nicht mehr zu überzeugen“, erwidert Hans. „Ich hoffe nur, dass ich auf WeltAuto einen jungen 911er, also das aktuelle 991er Modell, mit manueller Schaltung finde. Leider sind solche Angebote sehr selten, zumal die Getriebe-Art beim Neuwagen-Preis ja keine Rolle mehr spielt.“ Und warum kein PDK? „Es kommt meinen Ansprüchen nicht entgegen. Das mag sich vielleicht seltsam anhören, weil auch Jüngere den Komfort einer Automatik zunehmend schätzen, aber ohne präzise Porsche-Schaltung bleibt der Fahrspaß für mich auf der Strecke. Oder so gesagt, dass mich auch das Jungvolk versteht“, erklärt Hans mit spitzbübischem Lächeln, „die direkte Interaktion ist für mich unentbehrlich.“
Beim Elfer sind sie ganz die Alten: Diese Senioren wollen schalten!
„Ich muss ihm schon wieder beipflichten“, ergänzt Peter, „auch wenn wir mit unserer Meinung wahrscheinlich ziemlich allein dastehen. Harmonisches Anfahren, etwa bei Ampelstarts, ist mir mit dem PDK-Getriebe beim Testauto meist nur im Sport-Modus gelungen, auf den ich ansonsten eigentlich verzichten kann. Ebenso wie auf die paar Zehntel-Sekunden Zeitgewinn beim Beschleunigen, weil man mit der Handschaltung sicher nie das Optimum einer PDK-Automatik erzielt. Würde es mir darauf ankommen, könnt’ ich ja gleich tiefer in die Tasche greifen und einen 911er mit 520 oder 560 PS bestellen. Doch wozu? Schon ein 400-PS-911er bietet mehr als überlegene Fahrleistungen, auch mit dem manuellen Siebengang-Getriebe.“
So, jetzt wird’s Zeit, dass der Redakteur und „Benjamin-Oldie“ einmal Klartext spricht: „Sorry, aber das ist ein Schmarr’n! Das Porsche-PDK ist so ziemlich das beste Automatik-Getriebe auf dem Markt. Nur: Ihr habt beide den gleichen Fehler begangen, nämlich alle Knöpferln ausprobiert, damit ihr das Auto quasi im Rennsport-Trimm bewegen könnt. Das taugt zwar einem 67-jährigen Walter Röhrl, aber anscheinend keinen Herrschaften wie euch, die vor 50 Jahren das letzte Mal auf einer Rennstrecke herumgegurkt sind.“
Betretenes Schweigen. Dann lenkt Hans ein: „Das hättest du zwar auch weniger despektierlich sagen können, aber im Grunde magst du Recht haben. Für mich war’s halt etwas gewöhnungsbedürftig, dass man nach einem Vollgas-Spurt vom Gas geht und die Automatik noch ewig im Dritten verharrt. Ich hab’ mir dann mit den Tasten am Lenkrad geholfen, die übrigens viel besser zu bedienen sind als übliche Schaltwippen, und selber hochgeschaltet. Den siebten Gang hat das PDK aber nicht mehr genommen.“
„Gut beobachtet“, grinst Peter. „Im Sport Plus-Modus wird der höchste Gang nämlich nicht angewählt. Auch das Start-Stopp-System ist dann klarerweise nicht mehr aktiv. Außerdem hast du dich doch darüber beklagt, dass man im Sport Plus-Modus automatisch mit der härteren Dämpfer-Abstimmung unterwegs ist. Stimmt nicht! Du kannst den PASM-Modus auch manuell umschalten, indem du nochmals den Schalter mit dem Stoßdämpfer-Piktogramm betätigst. Wobei im normalen Sport-Modus die Dämpfer-Einstellung ohnehin situationsbedingt geregelt wird, wenn ich mich recht entsinne. Steht aber alles in der Betriebs-Anleitung.“
Hans stöhnt! „Seid mir nicht bös’, aber hätte ich diese Litanei noch studiert, wäre ich kaum mehr zum Fahren gekommen. Doch um das Thema mit diesem Supersport-Modus abzuschließen: Mir war das höchst peinlich, als ich beim Rausfahren aus der Tiefgarage interessehalber auch den Schalter mit dem Auspuff-Logo gedrückt habe…“ Peter: „Da machen sich die offenen Auspuff-Klappen bemerkbar.“ „…Das kannst laut sagen. Das Auto hat einen Krawall verursacht, dass mir fast die Ohren abgefallen sind. Die Leut’ in der Garage haben mich wie einen Halbstarken fixiert und dabei sicher überlegt, was der alte Mann zu kompensieren hat.“
Peter lacht: „Du bist ja dieser Welt wirklich schon ein bisserl entrückt. Wahrscheinlich auch, weil du all deine Engländer nur in der milden Sorte fährst. Also, nachdem ich mir gelegentlich erlaubt habe, alle Knöpferln zu drücken, wie das vorher so charmant formuliert wurde, hab’ ich an diesem geilen Sound auf offener Strecke echt Gefallen gefunden. Und überhaupt an den ganzen elektronischen Spielereien – egal, ob’s das Zwischengas ist oder das heisere Boxer-Röcheln. Vielleicht klingt es nicht mehr ganz authentisch, aber ein akustischer Genuss ist es trotzdem. Den einzigen Ton, den ich als peinlich empfunden habe, ist der von der Hupe!“
Wenn Oldies ins Schwärmen geraten: Sportsitze zum „Ewigfahren“
„Wenn schon Genuss“, stellt Hans klar, „dann rufe ich den Herren mal die Sportsitze in Erinnerung.“ Peter: „Absolut richtig, die sind einsame Spitze! Wären die überall installiert, würden sogar bretthart gefederte Autos erträglich werden. Man muss zwar dazusagen, dass es sich dabei nicht um die Sitze der Serien-Ausführung handelt – wie so vieles beim Test-Porsche –, aber bei der Ergonomie gibt’s meines Wissens sowieso keine Unterschiede.“ Soll heißen? „Na, ohne Feinheiten wie eine verstellbare Oberschenkel-Auflage oder eine Lordosen-Stütze dürfte man kaum weniger bequem sitzen. Und auch die Beinfreiheit ist kein Vergleich zu einem 911er von anno dazumal. Bloß…“ Bloß was? „Bloß das Ein- und Aussteigen gestaltet sich für unsereins halt trotzdem etwas mühsam.“
„Für unsereins?“ Hans hat seine Retourkutschen-Miene aufgesetzt: „Wenn man nicht mehr so drahtig ist, wie man durchaus noch sein könnte, lieber Gourmet-Peter, sollte man nicht verallgemeinern. Dafür, dass ich der Welt angeblich schon entrückt bin, gelingt mir das Reinsetzen und auch Rauskommen überraschend gut, finde ich.“
Peter: „Okay, den Seitenhieb hab’ ich mir ehrlich verdient. Aber ernsthaft: Nicht jeder deines Jahrgangs ist noch so gelenkig und fit wie du. Und nachdem ich hier die ältere Generation vertrete, von der ich nicht der Einzige bin, der sich eindeutig zum SUV bekennt, würde ich mich bei aller Liebe zum klassischen 911er doch eher für den neuen Porsche Macan entscheiden.“ Dessen Markt-Start erfolgt übrigens am 5. April.
März 2014. Mittlerweile sind ein paar Monate vergangen. Und unser Freund Hans hat sich entschieden – für einen Vorjahres-911er mit jungfräulichem Kilometerstand, „nur“ 350 PS und Schalt-Getriebe! „Fast schon eine Rarität“, wie er feststellen musste. „Deshalb hat’s auch eine Weile gedauert, bis ich fündig geworden bin. Zwar nicht über WeltAuto, aber natürlich übers Internet.“ Natürlich.
Der Clou aber: „Schlussendlich standen mir sogar zwei 991er mit Schaltung zur Wahl. Genommen habe ich aber jenen, dessen Farbe mir weniger zugesagt hat.“ Weshalb das? „Weil viele Verkäufer noch immer nicht das Verkaufen beherrschen – weil sie sich in ältere Kunden nicht hineinversetzen können. Egal, wie alt sie selber sind. Der eine war ein Endvierziger, der mich damit penetriert hat, was das Auto alles kann, was ich alles beachten muss. So ging das unentwegt! Der andere war dagegen ein junger Kerl, der es aber verstanden hat, die Vorfreude in mir zu wecken – und der mir auch ein bisserl den Spundus genommen hat vor den hundert individuellen Einstellungen und Assistenz-Systemen. Genau dieses Einfühlungs-Vermögen erwarte ich mir! Und das darf man auch, glaube ich, wenn man dafür fast 120.000 Euro hinblättert.“
Und, wie geht’s ihm jetzt, dem frischgebackenen 911er Eigner? Hans: „Ich liebe dieses Auto! Wirklich! Das ist mit Abstand der robusteste Hochleistungs-Sportwagen, den ich je hatte. Umso mehr bedaure ich heute, dass ich mich über Jahrzehnte nicht entschließen konnte, zu Porsche wieder zurückzukehren.“ Kein Wunder also, dass der rüstige Herr auf den Geschmack gekommen ist: „Gestern hab’ ich die Meldung über den neuen Boxster GTS gelesen. So ein offener Porsche mit ordentlich Power könnt’ mich noch reizen.“ Antiquitäten-Händler müsste man sein.
Und weil wir gerade über Solvenz reden: Das Test-Exemplar war mit Optionen im Wert von mehr als 32.000 Euro vollgepackt – schon vor der NoVA-Reform, versteht sich. Bis dahin betrug der Listenpreis für einen Carrera 4S bei 12% NoVA noch 135.910 Euro. Heute sind 25% NoVA fällig und 142.716 Euro.
So viel zum schnöden Mammon. Was dem „Ältestenrat“ rund um den Porsche 911 noch alles auf- und eingefallen ist, erfahren Sie in der Foto-Galerie.
Website des Importeurs: www.porsche.at