Kurz- und Tages-Zulassungen waren neuerlich beherrschendes Thema zum Start der Vienna Autoshow. Eines, dem sich vor allem Burkhard Ernst, Gremial-Vorsteher des Fahrzeug-Handels, verschrieben hat. Zumal jene geschätzt 20.000 bis 30.000 Fahrzeuge jährlich, die sofort nach der Zulassung unser Land verlassen, die Statistik grob verzerren würden. Jetzt will Ernst die Abgänge ins Ausland verifizieren. Gibt’s dafür Hintergründe?
Die Autowelt steht Kopf. Alles blickt nach China, dem mittlerweile wichtigsten Absatzmarkt für die deutschen Premium-Hersteller. Audi, BMW, Mercedes und Porsche verkauften voriges Jahr im Reich der Mitte insgesamt 959.000 Neuwagen. So viele wie in keinem anderen Markt der Welt. 2012 wurden in China rund 13,24 Millionen neue PKW zugelassen (plus 8,4%). Klar, ein ungesättigter Riesen-Markt. Auch in Russland ist der PKW-Absatz im Vorjahr auf 2,94 Millionen Neuwagen (plus 10,6%) gewachsen.
Doch besonders kräftig legte 2012 Japan nach der Krise zu: auf 4,57 Millionen PKW, was einer Steigerung von sagenhaften 29,7 Prozent entspricht. Und der US-Markt wächst schon das dritte Jahr in Folge: 2012 um 13,4 Prozent auf 14,44 Millionen PKW inklusive der beliebten „Light Trucks“. Womit auch die guten Vorsätze von einst über Bord gingen. Auf der Motor-Show in Detroit (läuft noch bis 27. Jänner) dominieren wieder trinkfeste Dinosaurier. Die Eskalation: Der Hybrid-Sportler Fisker Karma mutierte dort zum „Destino“. Mit einem V8-Block, der 647 PS entwickelt.
In Europa dagegen eskalieren die Märkte: Insgesamt 12,53 Millionen neu zugelassene PKW hatten im Vorjahr ein Minus von 7,8 Prozent zur Folge. Aufgeschlüsselt waren es 11,77 Millionen bzw. minus 8,1 Prozent in West-Europa und 755.500 PKW bzw. minus 2,8 Prozent in den neuen EU-Ländern. Der große Nachbar Deutschland bilanzierte mit einem Rückgang von 2,9 Prozent.
Gemeinsamkeit mit Österreich: Da wie dort brach der Markt im Dezember ein (bei uns auch im November). Eigentlich faszinierend in Anbetracht der gegen Jahresende besonders attraktiven Angebote. Doch was schreckt die Konsumenten ab, wenn’s nicht bloße Kauf-Zurückhaltung ist? Die Zulassung im alten Jahr? Oder einfach der Gedanke, das nagelneue Auto dem Unbill des Winters und salznassen Straßen auszusetzen?
Europas größte Verlierer waren laut Burkhard Ernst, dem Obmann des Bundesgremiums Fahrzeug-Handel, Italien („rund minus 20 Prozent“), Portugal („rund minus 37 Prozent“) und Griechenland („über minus 40 Prozent“).
Nissan – so kommt man stärker an: Plus 353 Prozent bei Tages-Zulassungen!
Österreich bescherte ein Minus von 5,7 Prozent gegenüber dem Rekordjahr 2011 immerhin das historisch zweitbeste Ergebnis: exakt 336.010 neue PKW. Allerdings, so Dr. Peter Laimer von der Statistik Austria: „Ohne Zurechnung der Tages-Zulassungen würde dieser Rückgang im Vorjahr nicht 5,7, sondern 7,1 Prozent betragen.“ Anders gesagt: Der Anteil der Kurz-Zulassungen hat sich 2012 gegenüber 2011 von 24,7 auf 26,7 Prozent erhöht (89.638 PKW entsprechen plus 2,1%), der darin enthaltene Anteil der Tages-Zulassungen von 25,2 auf 28,8 Prozent (25.821 PKW entsprechen plus 16,8%).
Hier bieten wir einen Überblick nach Monaten bei den Kurz-Zulassungen und bei den Tages-Zulassungen sowie nach den Top-10-Marken: Dabei hat Nissan mit einer Zunahme von exorbitanten 352,9 Prozent den Bogen offensichtlich etwas überspannt. Beachtlich zugelegt bei den Tages-Zulassungen haben auch Alfa Romeo und Fiat, wogegen ein Marktanteils-Gewinner wie Skoda seine Tages-Zulassungen deutlich reduziert hat.
Tatsache ist, dass sich Nissan mit 8.605 Zulassungen (plus 18,17%) nach mehr als 40 Jahren erstmals als Österreichs stärkste Japan-Marke in Szene setzen kann und damit Mazda mit 8.419 Zulassungen (minus 11,6%) vom Thron gestoßen hat. Ob dies mithilfe der Kurz-Zulassungen ermöglicht wurde, „die von manchen Importeuren natürlich als Marketing- und Vertriebs-Instrument genutzt werden, um damit mehr preisliche Flexibilität für den Kunden bieten zu können“ (Importeur-Sprecher Dr. Felix Clary), kann sich jeder selbst ausrechnen.
Ausrechnen kann man sich auch (jedenfalls liegt die Vermutung nahe), welchen Branchen-Gurus dieser Ziel-Einlauf Ende 2012 sauer aufgestoßen ist. Wir tippen mal auf Mazda Austria-Chef Günther Kerle, der seine Meinung über Kurz-Zulassungen im Exklusiv-Interview mit Auto-Kaufberatung.at alles andere als schamhaft verschwiegen hat, und auf den größten Mazda-Händler Österreichs, sprich Handels-Obmann Burkhard Ernst.
Daher sei das Vorjahres-Ergebnis zu relativieren, so Ernst auf der Vienna Autoshow. Es bereite ihm Sorgen, „dass die Kurz- und Tages-Zulassungen – trotz eines Absatz-Rückgangs von 5,7 Prozent – um drei Prozent zugenommen haben“. Freilich: „Jene Fahrzeuge, die zugelassen und dann zeitverzögert verkauft werden, aber in Österreich bleiben und damit Wertschöpfung generieren“, sieht Ernst nur als „lässliche Marketing-Sünde“. Doch jene, die gleich nach der Zulassung Österreich verlassen, würden eine Verzerrung des Marktes und der Statistik darstellen.
Nicht zuletzt, so Ernst weiter, „dienen diese Zahlen den Händlern und Importeuren dazu, die Berechnungen und Verkaufspläne für die Folgejahre anzustellen. Leider Gottes können wir nicht erheben, wie viele Fahrzeuge jedes Jahr über die Grenze gehen. Aber wir arbeiten daran, dem künftig auf den Grund zu gehen, und werden gemeinsam mit Eurotax im Laufe des heurigen Jahres vielleicht einen Annäherungs-Wert finden.“ Ernst schätzt die Abgänge ins Ausland auf 20.000 bis 30.000 Fahrzeuge jährlich.
Darf man das alles nicht so eng sehen? „Weil wir schließlich in der EU sind…“
Doch nicht für alle in der Branche ist nachvollziehbar, „was der Herr Ernst damit bezweckt“. Sagt einer, der das Geschäft mit Kurz-Zulassungen intensiver betreibt – und namentlich nicht erwähnt werden will: „Für uns spielt die Kenntnis solcher Zahlen überhaupt keine Rolle. Natürlich rechnen wir den Markt hoch. Aber wir erstellen unsere Order-Planung und Retail-Ziele klarerweise nach Einschätzung der eigenen Stückzahlen. Wir wissen durchaus selber, was wir uns zutrauen können.“
Insofern kann sich Herr XY auch nicht vorstellen, „was das Herausfiltern jener Tages-Zulassungen bringen könnte, die ins Ausland gehen. Wenn das wirklich an die zehn Prozent der gesamten Zulassungen sind, na, was soll’s? Wir sind schließlich in der EU. Man braucht doch nur nach Deutschland, Belgien, Holland oder Spanien zu schauen, was dort alles rausgeht. Es ist doch überall dasselbe und daher weitgehend miteinander vergleichbar.“
Außerdem solle man nicht so tun, als ob hier etwas Strafbares geschehe: „Kein Händler ist dafür verantwortlich, was nach dem Verkauf mit einem Auto passiert. Der Käufer muss dem Händler ja nicht die Anmeldung vorweisen. Mag sein, dass eine ausländische Kunden-Adresse stutzig machen kann. Aber allein deswegen wird man doch nicht ein Geschäft sausen lassen.“
Und prinzipiell zum Thema Tages-Zulassung: „Ich versteh’ die ganze Aufregung sowieso nicht. Diesen Geschäftszweig gibt es schon seit Jahrzehnten. Und jeder Importeur nützt ihn mehr oder weniger, um das Geschäft im Lande anzukurbeln. Weil die Händler dadurch die Autos günstiger einkaufen und somit auch wieder günstiger verkaufen können. Natürlich machen wir dann pro Auto weniger Gewinn, aber dafür steigt das Umsatz-Volumen.“
Apropos strafbar: Der heimische Fiskus interessiert sich naturgemäß für jene Fahrzeug-Eigner, die den umgekehrten Weg gehen – um sich die NoVA zu ersparen. Relativ oft, weiß Mister XY, seien solche Steuer-Hinterzieher in der Slowakei zu finden: „Die haben ihre Firmensitze in Bratislava, kaufen und melden ihre Autos dort an, fahren aber ständig frech in Österreich herum, wo sie auch ihren Wohnsitz haben.“
Fragt sich nur, weshalb die Branche sich an solchen Zuständen scheinbar weniger stößt? Weil die Finanz-Polizei ohnehin Razzien durchführt? Oder eher, weil es sich bei den „NoVA-befreiten“ Autos zumeist um Edel-Karossen handelt, die in heimischen Werkstätten für gutes Geld gewartet werden? Zum Beispiel wie der X6, den Auto-Kaufberatung.at kürzlich bei der Service-Annahme eines Wiener BMW-Vertragspartners erspähte – mit Münchner Kennzeichen und Jahres-Vignette! Übrigens, zur Vorwarnung: Bei der nächsten Schwerpunkt-Kontrolle will die Finanz-Polizei die Dauerparker in Wiens Tiefgaragen ins Visier nehmen.
Arbeitsplatz-Sicherung statt Kunden-Vernaderung: „Wer das nicht versteht…“
Doch niemand, so meint ein namhafter Händler aus dem NÖ. Industrie-Viertel gegenüber Auto-Kaufberatung.at, solle sich hier als Moral-Apostel aufspielen: „Jedes Unternehmen ist für seine Mitarbeiter verantwortlich und nicht für die Kunden.“ Mit anderen Worten: Arbeitsplatz-Sicherung statt Kunden-Vernaderung. „Wer das nicht kapiert, hat noch nie im seinem Leben einen Betrieb geführt!“
Klartext spricht auch Burkhard Ernst, wenn es um die Ertragslage in der Autobranche geht: „Sie ist nicht gerade positiv, insbesondere jene der Händler.“ Immerhin sei es gelungen, die Umsatz-Rendite zu steigern: „Vor einem Jahr lag diese im Schnitt noch unter einem Prozent. Mittlerweile ist sie dank intensiver Schulungen und Kurse auf 1,5 Prozent gestiegen“, so Ernst, der betont, dass diese Initiative von Josef Schirak ins Leben gerufen wurde.
Der 75-jährige Grand Seigneur der Autobranche und Einzelhandels-Sprecher im Bundesgremium des Fahrzeug-Handels hat der „Rabattitis“ schon vor Jahren den Kampf angesagt. Mit dem im Vorjahr gestarteten Projekt unternimmt Schirak nun einen neuerlichen Anlauf, um die Ertrags-Situation im Handel zu verbessern. Denn, so Ernst: „Wir brauchen unbedingt eine Rendite von zwei bis drei Prozent, um die Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern.“
Hilfreich wäre dabei freilich eine adäquate Entwicklung des heurigen Jahres. Die Prognose des Handels-Obmanns klingt schon mal viel versprechend. Um nicht zu sagen, sehr zuversichtlich. Ernst: „Für 2013 rechnen wir mit 320.000 Neu-Zulassungen. Und hier klammere ich natürlich jenen Teil der Tages- und Kurz-Zulassungen aus, der ins Ausland wandert. Ich spreche hier von echten Zulassungen und nicht jenen, die gefakt in die Statistik einfließen.“
Legt man also auch für 2013 die von Ernst geschätzten 20.000 bis 30.000 „Auslands-Abgänge“ zugrunde, wären dies effektiv 340.000 bis 350.000 neue PKW. Ein neues zweitbestes Ergebnis, hart an der Grenze zum Rekordjahr 2011 mit genau 356.145 Neu-Zulassungen. Nicht anzunehmen, dass Ernst dies tatsächlich so gemeint hat. Oder er geht davon aus, dass die „gefakten“ Zulassungen heuer einbrechen werden.
Doch auch Importeur-Sprecher Felix Clary dürfte mit 2013 gewisse Erwartungen verknüpfen: „Durch die guten Jahre, die wir jetzt gehabt haben, ist natürlich auch der Fahrzeug-Bestand gestiegen. Und aus diesem Bestand werden ja die Neu-Zulassungen generiert, wodurch wir uns auf einem sehr guten Niveau halten können.“
Konsum-Schwäche versus Zweck-Optimismus – 2013 ist schwer einzuschätzen
Keine erfreulichen Erkenntnisse gibt es allerdings darüber, wie es um die Neuwagen-Sehnsucht von Herrn und Frau Österreicher bestellt ist. So ergab eine Umfrage der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young, dass unglaubliche 44 Prozent der heimischen Konsumenten dieses Jahr weniger für große Einzel-Anschaffungen (wie etwa ein Auto) ausgeben wollen als noch im vorigen Jahr. Und auch der von IMAS erhobene Langzeit-Trend gibt wenig Anlass zu Optimismus: Planten 2008 noch 21 Prozent aller Österreicher einen Autokauf innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahre, so sind es vier Jahre später nur noch 16 Prozent.
Relativ positiv verlief erwartungsgemäß eine Umfrage unter den Besuchern der Vienna Autoshow (mit der sich übrigens laut neutralem Markt-Forscher fast 90 Prozent der Befragten sehr zufrieden zeigten): Demzufolge beabsichtigen 37,7 Prozent heuer oder im nächsten Jahr einen Autokauf. Wobei von diesen wiederum 74,7 Prozent über einen Neu- und 24,8 Prozent über einen Gebraucht-Wagen nachdenken.
Dass in diesen Nachdenk-Prozess kaum noch Elektro-Autos Zugang finden werden, dürfte wohl zu den sichersten Prognosen für 2013 gehören. Was vor allem für Vorreiter wie Renault schmerzlich ist und auch die entsprechende Infrastruktur (Lade-Stationen) nicht wirklich vorantreiben wird. Für Wirtschaftsminister Dr. Reinhold Mitterlehner ist die Marschrichtung daher klar:
„Da der große Durchbruch der E-Mobility nicht in Sicht ist, haben wir erkannt, dass die ursprüngliche Erwartungshaltung wie in der Energiestrategie mittlerweile etwas problematisch ist. Deshalb wird die Entwicklung verbrauchsarmer Verbrennungs-Motoren auch in den nächsten Jahren bis 2020 im Vordergrund stehen. Wir werden in den technologischen und innovativen Bereichen vor allem den Forschungs-Faktor unterstützen, aber nicht eine Richtung wie etwa Frankreich einschlagen, wo man direkte Stützungen und Kauf-Support leistet.“
Auch einer neuerlichen Verschrottungs-Prämie erteilt Mitterlehner eine Absage: „Wir denken derzeit nicht daran, eine Ökoprämie einzuführen. Diese wäre nur spruchreif, wenn wir einen dramatischen Markt-Einbruch hätten. Und auch dann würden wir nur in Abstimmung mit Deutschland vorgehen, weil wir hier einfach die Zusammenhänge mit der Produktion sehen. Es hat sich ja schon 2009 sehr bewährt, hier gemeinsam vorzugehen und die Konjunktur-Politik so auszurichten. Da wir erwarten, dass die Wirtschaft nach den eher schwierigen Monaten Jänner und Februar wieder kräftiger wachsen wird – sofern nichts Unvorhergesehenes passiert –, ist eine Ökoprämie nach unserer Einschätzung auch nicht notwendig.“
Nicht notwendig sind in absehbarer Zeit offenbar auch PKW-Maut und eine höhere Mineralöl-Steuer. Jedenfalls nach Zusicherung des Herrn Ministers. Das Wahljahr 2013 wirft seinen Schatten voraus.
Abschließend noch zwei aufschlussreiche Balken-Grafiken der Statistik Austria: PKW-Neuzulassungen 2012, 2011 und 2010 nach kW-Klassen sowie PKW-Neuzulassungen 2006 bis 2012 nach Zulassungs-Besitzern. Und schließlich jener Folder des Bundesgremiums Fahrzeug-Handel, der an die Besucher der Vienna Autoshow verteilt worden ist.