Wer kann die Golf-Klasse in ihren Grundfesten wirklich erschüttern? Na, wer schon? Er selber! In der siebten Auflage ist es dem VW Golf gelungen, die Grenzen seiner eigenen Klasse zu sprengen. Nicht, weil er ein bisserl größer als sein Vorgänger ist. Oder gar eine Revolution. Dieser bedurfte es nicht. Ein Tropfen Premium hat genügt, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Jetzt fühlt sich selbst ein „Basis-Golf“ wie echte Oberklasse an.
Geht ein neuer VW Golf an den Start, rotiert nicht nur die Autobranche, sondern auch die potenzielle Kundschaft – wie Auto-Kaufberatung.at anhand der zahlreichen Zugriffe registrierte, als die wichtigsten Infos über den Golf VII veröffentlicht wurden. Kein Wunder: Mehr als 45 Prozent aller Neuwagen-Käufer haben sich in den ersten acht Monaten dieses Jahres für ein Fahrzeug aus dem Kompaktauto-Segment, sprich der Golf-Klasse, entschieden. Und wenn sich der Namensträger selber erneuert, kommt das in der Medien-Landschaft eben einem mittleren Erdbeben gleich.
Damit nicht genug. Golf Nummer 7 hat mehr Staub aufgewirbelt, als dem Mitbewerb lieb ist. Im Klartext: Den viel zitierten Maßstab, den jeder neue Golf in braver Pflicht-Erfüllung bisher gesetzt hat, hatte man der jüngsten Generation nicht so recht zugetraut. Denn in welcher Beziehung sollte der Nachfolger den Vorgänger noch tatsächlich toppen? Sofern er nicht übers Ziel „hinausschießt“ und sich in eine andere, eine völlig neue Klasse bugsiert. Doch genau das ist passiert!
Seit 8. November ist der Golf VII verfügbar. Und wer ihn bereits fahren kann oder konnte, müsste zur gleichen Erkenntnis kommen wie wir: Der Newcomer ist vom Fahrgefühl her seinem angestammten Segment endgültig entrückt. Steigt man zum Beispiel von einem „halbstarken“ Oberklassen-Diesel in einen „schlichten“ Golf TDI um und wieder zurück, sind es Nuancen, die den Unterschied machen. Aber keineswegs zum Nachteil des Golf, der sich präziser und souveräner denn je über kurvenreiche Landstraßen bewegt.
Doch der Reihe nach. Vor kurzem durfte die heimische Presse die ersten Jung-Gölfe Gassi führen. Wobei nicht – wie zumeist bei solchen Präsentationen – Exemplare mit den stärksten, sondern den schwächsten Triebwerken zur Wahl standen. Oder besser gesagt, mit den beliebtesten: TSI-Modelle mit dem 85-PS-Benziner und TDI-Modelle mit dem 105-PS-Diesel. Für diese beiden Motoren dürften sich nach VW-Erfahrung rund 30 bzw. 45 Prozent aller Golf VII-Käufer entscheiden.
Spätestens gegen Jahresende sollen alle Motor-Varianten lieferbar sein, die in der aktuellen Preisliste verzeichnet sind (wo sich auch die Ausstattungs-Linien, Extras und technischen Daten finden). Preisvorteile für VW-Kunden gibt es übrigens auch, wie die 4Motion-Aktion und den Finanzierungs-Bonus. Doch weder das eine noch das andere Goodie ist ausschließlich dem Golf VII vorbehalten. Und dessen Frühbucher-Bonus ist mit Ende Oktober abgelaufen.
Extreme Rabatt-Aktionen wie angeblich in Deutschland seien hier zu Lande undenkbar, heißt es aus Porsche Austria-Kreisen. Zwar habe jeder Händler einen gewissen Spielraum, aber der gesunde Österreich-Markt sei nicht mit anderen Märkten vergleichbar.
Unser schneeweißer Testkandidat – ein fünftüriger 1.6 TDI Comfortline mit optionalem Komfort-, Media- sowie Licht- und Sicht-Paket – entsprach weitgehend dem Ideal-Golf unseres Senior-Testers. Allerdings nicht mit dem automatischen Siebengang-DSG, sondern „nur“ mit dem manuellen Fünfgang-Getriebe, womit man sich schon mal satte 1.910 Euro erspart (Listenpreis 24.250 statt 26.160 Euro).
Gut möglich, dass man sich bei Autobahn-Tempo eine sechste Fahrstufe wünscht. Doch das konnten wir während der Probefahrt nicht beurteilen. Wir waren auf einer hügeligen Landstraße unterwegs, wo die exakte Schaltbox viel Freude bereitet hat. Und zwar bei jedem Gangwechsel, weil auch die Anschlüsse im 105 PS starken TDI wunderbar passen.
Wobei der altbewährte Selbstzünder, dem VW im neuen Golf einen Norm-Verbrauch von tollen 3,8 l/100 km attestiert, nicht wiederzuerkennen war: Geschmeidiges Ansprech-Verhalten, nicht der Hauch eines Turbolochs, kraftvoller Antritt aus dem Drehzahl-Keller, gleichmäßige Leistungs-Entfaltung, hohe Laufkultur… Kein Vergleich mit dem eher schwerfälligen Diesel (samt recht störrischer Schaltung), wie wir ihn noch im Golf Cabrio erlebten.
Offen gestanden: Am liebsten hätten wir den Test-Golf zum nächsten Leistungs-Prüfstand von ARBÖ oder ÖAMTC entführt. Kaum vorstellbar, dass die offiziell 105 TDI-Pferderln nicht in „Begleitung“ waren. Aber wir wollen hier keinesfalls Absicht unterstellen! Noch eine wichtige Anmerkung, wenngleich von uns schon anlässlich der Golf-Premiere in Berlin kommuniziert: Jeder Golf VII ist serienmäßig mit einem Start-Stopp-System (bis zu vier Prozent Verbrauchs-Reduzierung) samt Rekuperations-Modus (bis zu rund drei Prozent CO2-Reduktion) ausgerüstet.
Vernunft statt Emotion? Der neue Golf wirft alte Grundsatz-Fragen auf
Nach dieser Erfahrung fragt man sich jedenfalls, wozu man eigentlich noch mehr Power und noch mehr Automasse braucht? Zumal der so massiv abgespeckte Neo-Golf (je nach Modell bis zu 100 Kilo) keineswegs zum ausgesprochenen Leichtgewicht mutierte. Rund 1.300 Kilo schleppt der 1.6 TDI mit sich herum. Was für heutige Kompaktauto-Verhältnisse zwar aller Ehren wert ist. Doch zur Erinnerung: In solchen Gewichts-Regionen bewegten sich vor 30 Jahren noch Schwedenstahl-Limousinen à la Volvo 244. Und ein vergleichbarer Einser-Golf brachte rund 500 Kilo weniger auf die Waage!
Ein absolutes Schwergewicht ist der Golf VII in Sachen Fahrverhalten und Federungskomfort. Kurz gesagt könnte man von einer perfekten straff-komfortablen Abstimmung sprechen. Aber diese Bewertung ist einfach schon zu abgenutzt, um den Fahrwerks-Qualitäten des Golf gerecht zu werden. Also anders formuliert: Einerseits wirkt dieser Fronttriebler unerschütterlich fahrsicher, andererseits filtert er jegliche Unebenheit und vermittelt trotzdem direkten Straßenkontakt. Eigenschaften, an denen natürlich auch der äußerst steife Wagenkörper, die präzise Lenkung und die elektronische Quersperre zwischen den Vorder-Rädern maßgeblichen Anteil haben.
Was uns zur Abrundung der Komfort-Erkenntnis allerdings fehlt, sind simple Querfugen. Warum? Weil gerade diese das Vormodell (je nach Version) nicht wirklich gelassen verdaut hat. Das neue Modell mit nach vorn gewanderter Vorderachse dürfte hier mit großer Wahrscheinlichkeit souveräner agieren. Doch leider sind uns keine Querfugen – im wahrsten Wortsinn – untergekommen.
Ebenso wenig untergekommen ist uns beim Testwagen die aufwändige Mehrlenker-Hinterachse, wie sie noch bei allen Golf V- und Golf VI-Modellen verbaut worden ist. Erklärung: Die Golf VII-Modelle mit schwächerer Leistung (bis zum TSI mit 122 PS) müssen sich mit der billigeren, jedoch auch leichteren und kompakteren Verbundlenker-Hinterachse begnügen. Freilich: Beide Achsen-Konzepte wurden neu entwickelt. Und Volkswagen beteuert, dass die neue Verbundlenker-Achse im Fahrbetrieb das Niveau der bisherigen Mehrlenker-Achse erreiche.
Fragt sich also, ob man über diese Einsparungs-Maßnahme großartig meckern sollte, nachdem schon der „Einfach-Golf“ fahrdynamisch eine glänzende Vorstellung liefert. Zumal bezweifelt werden darf, dass dieser technische Vorsprung der stärker motorisierten Gölfe im Alltag wirklich von Bedeutung ist. Mag sein, dass er auf einer Teststrecke im Bereich von Zehntelsekunden messbar ist. Aber das kann ohnehin nur ein direkter Vergleich klären.
Uns hätte dabei vor allem eines interessiert: Warum die Platz sparende Verbundlenker-Achse nicht mehr Laderaum als die Mehrlenker-Achse beschert? Aber auf dieses Thema gehen wir in der Foto-Galerie noch ebenso ein wie auf den hohen Qualitäts-Level und manche Eigenheiten des VW Golf.
Stand: November 2012
Website des Importeurs: www.volkswagen.at