Ist der Kangoo mit Stern von Mercedes zu fern?

Nur ein Mercedes ist ein Mercedes. Stimmt meistens, aber nicht immer. Treffendes Beispiel: der Mercedes Citan. Er basiert auf dem Kangoo von Renault. Trotzdem prangt auf dem Grill des Citan der größte Stern aller Mercedes-PKW. Obwohl er im Grunde ein Nutz-Fahrzeug ist. Und so entpuppt sich die fünfsitzige Bus-Version als Personen-Transporter, der im Alltag durch Nehmer-Qualitäten zu gefallen weiß. Die braucht er auch…

Mercedes Citan Bus 109 CDI BlueEfficiency Sein größtes Handikap ist mittlerweile Geschichte: Beim Crash-Test durch Euro NCAP musste sich der Mercedes Citan mit einem mäßigen Ergebnis begnügen. Wesentlicher Kritikpunkt: Die Fenster-Airbags (Serie beim Citan Bus) hatten sich beim Seitenaufprall an der B-Säule verfangen. Ein Sicherheits-Manko, das nun behoben wird. Natürlich auch bei schon ausgelieferten Fahrzeugen, die dazu in die Vertrags-Werkstätten beordert werden.

Datenblatt
Motor 16V-Vierzyl.-Turbodiesel, 1.461 ccm, Euro 5
Leistung 66 kW/90 PS bei 4.000/min
Drehmoment 200 Nm bei 1.750–3.000/min
Spitze 160 km/h
Testverbrauch 6,1 l/100 km
Normverbrauch 4,3 l/100 km
CO2 112 g/km (BlueEfficiency)
L/B/H 4.321/1.829/1.809 mm
Leergewicht 1.320 kg
Gesamtgewicht 1.950 kg
Nutzlast 555 kg (Testwagen)
Preis EUR 20.089,80 inkl. 5% NoVA und 20% MwSt. (ohne BlueEfficiency)
Stand: August 2013

Seit Anbeginn untadelig zeigt sich der Citan bei der aktiven Sicherheit: Gegenüber dem soften Renault Kangoo (der jetzt eine Renovierung erfuhr) lässt er sich weitaus agiler bewegen – jedenfalls solange das ESP nicht eingreift, das sich ziemlich früh bemerkbar macht. Wodurch der Citan selbst mit voller Beladung jeden Elchtest bestehen dürfte. Seine Lenkung agiert ausreichend direkt und deutlich präziser als jene im Kangoo, von dem uns für einen kurzen Vergleich ein 2012er Modell zur Verfügung stand. Bleibt abzuwarten, ob Renault dem aufgefrischten Nachfolger auch die eine oder andere Feinabstimmung verpasst, zumal Citan und Kangoo im selben französischen Werk vom Band laufen.

Nachteil der straffen Fahrwerks-Auslegung beim Citan: Auf schlechten Straßen geraten die Federwege an ihre Grenzen. Dafür überzeugt der Mercedes-Fronttriebler in flott durcheilten Autobahn-Kurven mit hoher Spur-Stabilität. Weiterer Vorzug: Der verfeinerte, 90 PS starke Renault-Diesel verrichtet seinen Dienst unspektakulär, aber eifrig und verhilft dem Citan zu ordentlichen Fahrleistungen.

Im Schnitt wurde ein Verbrauch von 6,1 Litern ermittelt, wobei das Testexemplar mit einer Start-Stopp-Funktion ausgerüstet war (Teil des netto 320 Euro teuren BlueEfficiency-Pakets). Immerhin: Dank des 60-Liter-Tanks wird so eine Reichweite von fast 1.000 km erzielt. Ein Sechsgang- statt Fünfgang-Getriebe, das sich übrigens problemlos schalten lässt, hätte den Citan-Durst freilich noch um einen oder zwei Zehntel-Liter nach unten gedrückt.

Spätestens beim Interieur offenbart sich der Nutzfahrzeug-Charakter des fünfsitzigen Citan Bus. Doch Hartplastik-Look hin oder her: Die Verarbeitung ist makellos und damit besser als im Kangoo. Vieles wirkt stabiler, Schalter rasten verbindlicher ein. Vor allem die Passform und Qualität der Sitze kann überzeugen, deren strapazfähiger Bezug ein paar 100.000 Kilometer problemlos überstehen dürfte.

Die Bedienung im Citan ist simpel, zumal die serienmäßigen Standard-Funktionen garantiert keinen Blick in die Betriebsanleitung erfordern. Eventuell die optionalen, sofern die „frankophile“ Anordnung von Sitzheizungs-Tasten (siehe Foto-Galerie) noch unbekannt ist. Womit wir beim Thema Ausstattung sind: Selbst das Einfach-Radio im nostalgischen Norm-Format ist mit einem Aufpreis verbunden. Oder die Außentemperatur-Anzeige um 30 Euro netto. Oder der Spiegel in der Beifahrer-Sonnenblende um 20 Euro netto. Traditionelle Devise: Auch Kleinvieh macht Mist.

So gesehen ist der Citan noch ein Mercedes von altem Schrot und Korn. Der Kaufpreis fürs Nacktmodell der Bus-Version 109 CDI beträgt brutto knapp 20.100 Euro. Ein motorisch vergleichbarer Kangoo ist zwar nur unwesentlich billiger, aber weitaus großzügiger mit Komfort-Goodies bestückt. Stellt sich also die Frage, ob die teutonische Optimierung den ausstattungsbereinigten Citan-Mehrpreis rechtfertigen kann?

Verkaufszahlen wie ein Exote – wird Mercedes von den Kunden abgestraft?

Mercedes Citan Bus 109 CDI BlueEfficiency Bisher hat das Verkaufspendel jedenfalls zu Gunsten von Renault ausgeschlagen. Sieht man sich die heimische PKW-Zulassungsstatistik an, wurde der Kangoo im Zeitraum Jänner bis Juli 2013 fast viermal so oft geordert wie der Citan Bus. Kein Kunststück, nachdem sich dessen Stückzahl zwischen jener von Bentley und Ferrari bewegt. Ein mehr als bescheidener Absatz – auch wenn man einräumt, dass Mercedes beim Citan vorwiegend auf den Kastenwagen setzt und von der PKW-Version derzeit nur drei Modelle im Angebot sind (inklusive dem „Worker Bus“).

Für den Verkaufsleiter eines großen steirischen Mercedes-Händlers liegt die Begründung für den schleppenden Citan Bus-Verkauf klar auf der Hand: „Wir werden von unseren Kunden wegen des Crashtest-Ergebnisses regelrecht abgestraft!“ Nachsatz: „Dabei hätte der Kangoo als weitgehend baugleiches Modell sicher nicht besser abgeschnitten.“ Tatsache ist, dass der Vorgänger des aktuellen Kangoo von Euro NCAP 2009 noch vier Sterne kassierte. Doch der Vergleich hinkt, weil der Citan bereits unter deutlich verschärften Richtlinien geprüft worden ist.

Wie dem auch sei. Zumindest im Test-Alltag hat der Citan einen sehr robusten Eindruck hinterlassen. Das ist auch unserem Senior-Tester nicht entgangen, dessen Kommentar wegen Urlaubs zwar diesmal entfällt, der aber noch eine „Fahrstunde“ erübrigen konnte. Seine Kurzbeurteilung: „Das Auto ist besser als sein Ruf.“ Für Mercedes freilich ein schwacher Trost, nachdem schon dem durchaus gelungenen Citan-Vorgänger Vaneo (Bauzeit 2001 bis 2005) kein großer Erfolg beschieden war. Nicht zuletzt wegen der damals vergleichsweise saftigen Preise. Die fielen beim Citan dank ersparter Entwicklungs-Kosten zwar moderater aus, doch potenzielle Kunden (siehe oben) nehmen Mercedes den „Renault-Verschnitt“ offenbar übel.

Mehr denn je ist Mercedes deshalb damit beschäftigt, das angekratzte Image als Sicherheits-Vorreiter kräftig aufzupolieren. Nicht nur am anderen Ende der Fahnenstange, wo die S-Klasse wieder neue Maßstäbe setzt, sondern zuletzt auch mit einer kleinen Innovation, wie im Beiblatt ausführlich beschrieben. Ob man auch im Stande ist, den Image-Schaden am Citan zu beheben, wird sich in der Zukunft zeigen. Wir dagegen zeigen jetzt schon in der Foto-Galerie, was uns am Citan Bus sonst noch aufgefallen ist.

Website des Importeurs: www.mercedes-benz.at

Dieser Beitrag wurde unter Citan Bus 109 CDI BlueEff., Fahrberichte, Mercedes veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.