Ganz auf Luft-Linie

„Nach 200 Yard links abbiegen“, empfiehlt das Navi im Land Rover Discovery. Stellt sich die Frage: Wozu dieser Aufwand? Denn ebenso gut könnte man sich in diesem Hightech-Offroader auf Luftlinie navigieren lassen. Natürlich nicht immer. Aber mit Sicherheit öfter, als es sich die meisten vorstellen können.

Datenblatt
Motor 24V-V6-Biturbodiesel, 2.993 ccm, Partikelfilter, Euro 5
Leistung 180 kW/245 PS bei 4.000/min
Spitze 180 km/h (abgeregelt)
Testverbrauch 11,2 l/100 km
Normverbrauch 9,3 l/100 km
CO2 244 g/km
L/B/H 4.838/2.022/1.837 mm
Leergewicht 2.692 kg
Gesamtgewicht 3.240 kg
Preis EUR 71.249,- inkl. 15% NoVA und 20% MwSt. (Luxus-Ausstattung HSE)
Stand: Dezember 2010

Aussichtslos erscheint beim Discovery 4 („4“ steht für vierte Generation) eigentlich gar nix. Oder doch, eines vielleicht: eine Beschreibung, die seinen Offroad-Qualitäten wirklich gerecht wird. Starten wir trotzdem einen Versuch.

Dank des verbesserten Terrain-Response-Systems – einem Land Rover-Patent – setzt sich der Discovery noch gelassener als zuvor über alles hinweg, was ihm vor seine vier angetriebenen Räder kommt. Dafür muss der Fahrer lediglich einen Drehschalter aufs entsprechende Piktogramm (= Bodenbeschaffenheit) einstellen. Danach greift die Elektronik feinnervig bei Antrieb, ESP etc. ein, um entweder auf Schnee, Schotter und feuchtem Gras oder auf Schlamm und Spurrillen oder auf Sand oder auf felsigem Terrain für optimalen und somit sicheren Vortrieb zu sorgen. Zentralsperre (unabhängig von der Geländereduktion) sowie Bergab- und Berganfahrhilfe verstehen sich dabei von selbst.

Das Sahnehäubchen ist jedoch die (variable) Luftfederung – mit dem angenehmen „Nebeneffekt“, dass der Discovery nicht nur off-, sondern auch onroad eine Klasse für sich ist. Wer mit einem 2,7 Tonnen schweren Geländewagen wie auf Wolken über den Highway schwebt, dem drängt sich der Vergleich mit der Eier legenden Wollmilchsau geradezu auf.

Wunderwuzzi ist der Discovery aber deswegen noch keiner: Auch eine so genannte Wankneigungskontrolle kann die Physik nicht vollends überlisten – jedenfalls nicht in flott durcheilten Kurven, die der Landy mit deutlichem Untersteuern quittiert. Die klassisch indirekte Lenkung agiert dabei überraschend zielgenau. Ebenfalls positiv: die standfesten Bremsen des Allrad-Kolosses. Gewöhnungsbedürftig ist allerdings der lange Pedalweg bis zum Druckpunkt.

Woran man sich dagegen auf Anhieb gewöhnt, ist die homogene Kraftentfaltung und bullige Leistungscharakteristik des 245 PS starken V6-Selbstzünders – dank zweier Turbolader und eines satten Drehmoments von 600 Nm bei 2.000/min. In Kombination mit der ebenso spontan wie sanft schaltenden Sechsgang-Automatik ein wahrer Genuss. Erfreulich dabei ist der relativ genügsame Umgang mit dem Dieselsaft: im Testmittel waren’s 11,2 Liter.

Was noch überzeugt, sind vor allem die großzügigen Platzverhältnisse, die gediegenen Materialen und die fast makellose Verarbeitungsqualität. Und nicht zuletzt die detailverliebte Cockpitlandschaft – zwar mit Schaltern zwangsläufig üppig bestückt, aber funktionell gegliedert und durch viele Ablagen perfektioniert.

Es fährt sich also kommod im Discovery 4. Egal, ob auf Luftlinie oder Asphalt. Ein Überflieger ist er so oder so.

SENIOREN SPECIAL  (Erklärung siehe Rubrik „Über uns“)

Im Grunde bieten ja gerade SUVs einen besonders kommoden Zustieg. Doch bei einem großen Offroader wie dem Discovery müssen sich zumindest Kleinwüchsige mit etwas Schwung in die Fahrerkabine befördern – sofern man das Auto nach der letzten Fahrt nicht um fünf Zentimeter abgesenkt hat. Luftfederung sei Dank! Außerdem ist sie Balsam für strapazierte Bandscheiben.

Diese fünf Zentimeter bringen’s übrigens wirklich, auch beim Ein- und Ausladen von schwerem Gepäck. Leider ist der untere Teil der Heckklappe (siehe Foto-Galerie) dabei trotzdem im Weg. Einen dicken Pluspunkt verdient sich dafür die simple Handhabung der variablen Fondsitze. Einen Minuspunkt handelt sich dagegen die fehlende Innenentriegelung der Heckklappe ein, die für Passagiere der dritten Sitzreihe ein Notausstieg sein könnte. Sind die Insassen davor nach einem Crash bewusstlos, dürfte es sich nach hinten einfacher kraxeln.

Keinerlei Berührungsängste braucht man als Discovery-Neuling mit den zahlreichen Offroad-Features zu haben, die schließlich nicht nur in schwerem Gelände, sondern auch bei extremen Winterverhältnissen sehr hilfreich sind. Ebenso hilfreich ist nämlich die illustrierte Kurzeinführung in die aufwändige Technik, die alle wesentlichen Funktionen anschaulich und einfach vermittelt.

Wenn überhaupt, dann ist es das an sich penibel dirigierende Navi-System, das bisweilen schnelle Reaktionszeiten erfordert: Zweimal hat es sich während der Testzeit nämlich kurzfristig anders entschieden…

Dass der Top-Discovery nicht zu den Schnäppchen gehört, ist klar. Neben selbstverständlichen Goodies für die aktive wie passive Sicherheit gehören deshalb auch Bi-Xenon-Scheinwerfer sowie feine E-Zutaten wie eine Memory-Funktion für den Fahrersitz, akustische Einparkhilfe vorn/hinten, Licht- und Regensensor sowie ein Tempomat zur Serienausrüstung.

Weniger einzusehen ist, dass man in dieser Preisklasse sinnvolle Ausstattungsdetails wie z.B. eine Kontrollanzeige für den Reifendruck (767 Euro) extra berappen muss. Dazu gehört auch ein 1.300 Euro teures Winterpaket (beheizbare Frontscheibe und Scheibenwaschdüsen samt Sitzheizung vorn/hinten).

Natürlich kann man’s auch positiv sehen, dass man zumindest die Wahl hat, eine Menge nützlicher Goodies mitzubestellen: etwa eine E-Beheizung fürs Ledervolant (288 Euro), automatisches Fernlicht (242 Euro) oder ein Rundum-Kamerasystem mit integrierter Umfeldbeleuchtung, das mit 1.150 Euro zu Buche schlägt.

Solcherart bestückt, ist man mit dem wunderbar übersichtlichen Discovery mehr als souverän unterwegs. Ein Grund mehr, ihn als Langzeitauto zu nutzen, zumal der Wertverlust eines topausgestatteten Nobel-Offroaders – zumindest in absoluten Zahlen – nicht unerheblich ist.

Website des Importeurs: www.landrover.at

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